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Riverdance

Frankfurt, Jahrhunderthalle, 02. November 2007

 

Foto: rk-Fotoservice wien

 

Sie waren lange nicht mehr in Deutschland auf Tour, deshalb „mussten“ wir die Chance nutzen und uns „Riverdance“ live auf der Bühne ansehen. Sicher ist auch dieser Name und die Tanzgruppe dafür mitverantwortlich, dass in den letzten Jahren so viele Menschen Interesse an der grünen Insel Irland gefunden haben. Ihren legendären Auftritt 1994 beim „Eurovion Song Contest“ in Dublin haben bestimmt auch viele von euch gesehen – damals noch mit dem inzwischen berühmten Michael Flatley, der aber nicht mehr bei Riverdance tanzt. „Riverdance“ zog mit seiner Tanzshow um die ganze Welt und wurde zum Inbegriff des irischen Tanzstils.

 

Edith, unsere Fremdenführerin durch Irland, hatte uns während unserer Rundreise viele unwichtige Dinge erzählt, aber ein paar ihrer Geschichten waren auch für uns interessant und einleuchtend – so die Geschichte, wie der irische Tanz entstanden ist/entstanden sein soll.

Getanzt wurde in Irland schon immer, aber während der englischen Besatzungszeiten waren kulturelle Vergnügungen und also auch Tänze für die irische Bevölkerung verboten. Wer die Iren kennen gelernt hat weiß, dass sie sich nichts verbieten lassen und das Verbotene dann erst gerade machen! Also trafen sich die Iren in ihren kleinen Wohnhäusern und tanzten dort heimlich. Da die kleinen Häuschen aber zumeist nur einen Lehmboden hatten und man auf dem nicht richtig tanzen konnte, wich man auf die steinerne Platte vor dem Herd aus. Diese Platten waren aber gerade groß genug, dass zwei Menschen nebeneinander darauf stehen konnten. So entwickelte sich eigentlich aus Platznot die irische Art zu tanzen – mit einem merkwürdig steifen Oberkörper und virtuos sich bewegenden Beinen und Füßen.

Schuhe hatte früher sicher auch nicht jeder. Deshalb gibt es auch noch heute zwei Arten des irischen Tanzes – Soft Shoes (ohne Schuhe oder mit weichen Ballettschläppchen) und Heavy Shoes (mit Straßenschuhen, die früher oft eine Holzsohle hatten und schon deshalb ziemlich laut auf den Steinplatten klapperten). Heute sind diese Schuhe natürlich nicht mehr mit Holzsohle, sondern moderne Steppschuhe aus glasfaserverstärktem Kunststoff und „Tipps“ und „Heels“ auch aus Metall.

 

Was wir nicht wussten, als wir die Karten für die Show vor einem Jahr (!) kauften, war, dass es verschiedene „Riverdance’s“ gibt. Die verschiedenen Gruppen sind nach irischen Flüssen (bietet sich bei Riverdance ja auch an) benannt. Im Moment gibt es drei Gruppen: The Boyle, The Corrib und The Foyle. In der Jahrhunderthalle in Frankfurt gastierte die Truppe „The Corrib“ mit den Leadtänzern Melissa Convery und Marty Dowds.

 

Den Namen „Riverdance“ mussten wir mit den Karten gleich mitbezahlen – mit über 100 Euro pro Sitzplatz waren dies sicher die teuersten Karten, die wir je gekauft hatten!!! Aber immerhin hatten wir dafür noch Plätze mit guter Sicht im vorderen Bereich bekommen.

Die Jahrhunderthalle in Frankfurt fasst bis zu 2000 Besucher, wirkte auf mich aber eher enttäuschend. Ich hatte schon viel über diese Halle gehört und auch einige Shows gesehen, die von dort gesendet worden waren, aber in Natura wirkte die Halle sehr technisch und ungemütlich – aber riesig. Licht und Sound konnte man nicht beanstanden – nur die auf Dauer unbequemen Stühle und das fehlende Flair.

 

Nun aber endlich zur Show:

Die Bühne war spartanisch eingerichtet: eine kleine Videowand mit drei Stufen in der Mitte, rechts und links zwei schmale Wände, hinter denen die Tänzer auftraten und wieder verschwanden.

Die Band war links hinten auf der Bühne platziert. Es waren vier Musiker, aber alle waren spitzenklasse und jeder hatte auch einen längeren Soloauftritt. Besonders beeindruckte Declan Masterson mit seinen Uilleann Pipes, einem irischen Dudelsack. Gefüllt wird der Balg durch einen Blasebalg unter dem rechten Ellbogen, während die drei Basspfeifen auf dem Schoß liegen, die aber anders als beim schottischen Dudelsack auch abgeschaltet werden können. Die Melodiepfeife klingt sehr melodisch und nicht so hart wie die schottischen Dudelsäcke. Mit diesem Instrument verzauberte Declan Masterson das Frankfurter Publikum mit einem Klagelied um Chu Chulainn, einen der großen Helden keltischer Mythen.

 

Die Show erzählte eine Geschichte. Im ersten Akt zeigen uns die Iren wie sie sich ein Bild von der Welt und von sich selbst machen.

Es beginnt mit dem Tanz um die Sonne, in dem wir gleich die Tänzer in Aktion erleben dürfen. Danach erklang die glasklare Stimme von Hayley Griffiths, die uns die vermittelte, dass wir alle einander brauchen. Es folgte ein Auftritt der Solotänzerin, die zuerst leisen Schuhen tanzte und danach noch einmal mit den typischen flachen Steppschuhen nachlegte.

Leider wirkte die Show nicht so wie wir es eigentlich erwartet hatten. Ein Teil der Musik kam sicherlich vom Band, die Stimme des Ansagers ebenfalls und manchmal fehlte der Ton der Steppschuhe, obwohl die Tänzer offensichtlich steppten - was dann doch sehr irritierte! Die Videowand wurde lediglich genutzt, um einzelne Bilder zu projizieren – Sonne, Landschaft, Wasser.

 

Dass die Tänzer nicht ununterbrochen Stepptanzen würden, ist schon klar, aber dass es zwischen den einzelnen Tanzstücken so viele längere Einlagen anderer Art – instrumental oder gesungen – geben würde, hatten wir eigentlich nicht erwartet. Ein bisschen irritiert waren wir dann aber über eine spanische Flamencotänzerin, die zu irischer Musik einen Flamenco tanzte. Die Tänzerin war klasse, aber wenn ich Riverdance sehen möchte, erwarte ich keinen Flamenco. Der Feuertanz der Spanierin wurde zum Ende dann noch von vier Iren begleitet, was dem Ganzen einen interessanten Eindruck verliehen hat und mir später als eines der besten Stücke dieses Abends in Erinnerung blieb!!

 

Die Handschrift vom ehemaligen Leadtänzer Michael Flatley konnte man noch in einigen der Stücken erkennen. Besonders bei „Gewitter“ war das zu sehen, als die Männer der Truppe und der Leadtänzer in den Flatley-typischen Formationen und Schritten tanzten. Davon hätten wir gerne mehr gesehen!

 

Zum Ende des ersten Teils kamen dann noch einmal alle Tänzer auf die Bühne und bildeten die für Riverdance typischen tanzenden Reihen – 20 Tänzer in einer Reihe, blitzschnelle Bein- und Fußbewegungen und fast starrer Oberkörper. Alle Tänzer absolut synchron, was auch mit stürmischen Applaus belohnt wurde.

 

Nach 15 Minuten Pause ging es weiter. Nun wurde in einzelnen Abschnitten von der Auswanderung der Iren erzählt, die bedingt durch die Hungersnot ihre Insel verlassen mussten. Wie sie sich mit anderen Völkern arrangieren lernten und trotzdem immer sie selbst geblieben sind, wurde tänzerisch und singend dargestellt.

 

Die verschiedenen Länder, in denen sich Iren ansiedelten, werden hier musikalisch dargestellt. Russische Derwische, die auch von einer russischen Tanzgruppe dargestellt werden, Mark Hall als singender „Onkel Tom“ und die beiden amerikanischen Stepper Kelly Isaac und Corey Hutchins für den neuen Kontinent und Carmen Armengou als spanische Flamencotänzerin stehen stellvertretend für viele Länder. Alles großartige Künstler, die jeder für sich eine unglaubliche Show geliefert haben – nur.......... ist das Riverdance????

 

Im irisch-amerikanischen „Duell“ der Tänzer zeigte der Leadtänzer der Riverdance-Truppe, Marty Dowds, sein sensationelles Können. Seine Art zu steppen riss das Publikum zu Begeisterungstürmen hin. Er steppte nicht nur mit den Füßen auf dem Boden, nein, er schaffte es sogar mit den Hacken in der Luft noch zu steppen und gleichzeitig noch mit den Händen einen anderen Takt zu schlagen. DAS war wirklich spitze und deshalb wollten wir zu Riverdance!!

 

Zum Schluss der Show kamen dann noch einmal alle Tänzer und Sänger gemeinsam auf die Bühne. Es wird uns die typisch irische Verbundenheit mit der Heimat noch einmal gezeigt – auch in der Fremde fühlt sich der Ire immer zur Heimat hingezogen und denkt stets sehnsüchtig daran, einmal zurückzukehren.

Noch einmal steppen alle Tänzer im gleichen Takt und fordern das Publikum zum Takt mitklatschen auf, was natürlich auch sofort gemacht wird. Unter dem Applaus des begeisterten Publikums verabschieden sich die einzelnen Gruppen und Solisten von der Bühne.

 

So kurz und knapp wie mein Bericht hier endet, so endete auch die Show. Da gab es keine zusätzliche Verbeugung (Vorhang gab es keinen) – Licht aus – fertig!! Das war symptomatisch für die ganze Show. Alles war ZU professionell – es gab keine Möglichkeit für einen der Künstler, noch eine kleine Zugabe zu geben (wie es die amerikanischer Stepper gerne gemacht hätten). Die Musik vom Band war zu Ende – also Abgang von der Bühne!

 

Mein Fazit:

Teilweise eine faszinierende Show mit großartigen Künstlern – aber eben leider nur teilweise. Es wirkte alles so abgespult, so einstudiert und abgeliefert, zu professionell – man hätte auch eine DVD einlegen können und die Tänzer einsparen.

Das Bühnenbild war äußerst sparsam und eigentlich zu „billig“ für diese Show. Die Band klasse, die einzelnen Musiker Künstler an ihren Instrumenten. Die Tänzer waren ebenfalls spitze – aber für mich sprang der Funke nicht über.

Es enttäuschte mich auch, dass das typisch Irische, das man auf der Insel so schnell spürt, hier nicht spürbar war – die Offenheit gegenüber Fremden, die Freundlichkeit, die Wortkargheit, der Glaube an Feen und Kobolde, das Keltische, das Mystische – all das fehlte.

Ich habe eine Show gesehen, die ich so auch im TV hätte sehen können – und deshalb kann ich nur sagen, dass es für mich keine 100 Euro wert war. Ich habe für weniger Geld schon wesentlich mehr geboten bekommen.

 

Gudrun Kauck – Nov. 2007