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Das neue Soloprogramm von Sissy Staudinger

 

„Eine Frau mit Vergangenheit“

Sissy Staudinger in den Rollen von Zarah Leander

 

Burgfestspiele Bad Vilbel, 11.07.2009

 

Der „Floh im Ohr“ hatte Verspätung und dadurch begann auch das Spätprogramm noch später als eigentlich geplant. Nachdem wir kurz vor 23 Uhr in den Burghof gelassen wurden, durften wir wenig später auch in den Burgkeller – allerdings begann die Vorstellung hier erst nachdem die Vorstellung auf der Hauptbühne beendet war.

 

Das Soloprogramm von Sissy Staudinger war ausverkauft – gespannte Erwartung auf allen Plätzen, weil sich sicher die wenigsten etwas unter „Eine Frau mit Vergangenheit – Sissy Staudinger in den Rollen der Zarah Leander“ vorstellen konnten oder auch, weil die Zeit der Zarah Leander schon zu lange zurück liegt?? Das Publikum bestand aber nicht aus Jahrgängen, die die Leander noch selbst erlebt hatten, sondern war bunt gemischt aus allen Altersschichten.

 

 

Zarah Leander wurde als Sara Stina Hedberg 1907 in Karlstad/Schweden geboren. Sie begann ihre Karriere als Sängerin, erlebte ihren richtigen Durchbruch dann aber in Wien mit der Operette „Axel an der Himmelstür“. 1936 erhielt sie unter nationalsozialistischer Regierung ein sehr lukrativen Vertrag als Schauspielerin. 1937 bis 1943 war sie quasi das Gesicht des Dritten Reiches und höchstbezahlte Frau – tituliert wurde sie als „Hitlers Darling“. 1943 verließ sie Deutschland und kehrte in ihre schwedische Heimat zurück.

1947 begann sie ihre Nachkriegskarriere in der Schweiz, kehrte aber schon bald auch auf die Leinwand und die Operettenbühne zurück, aber die Qualität ihrer Filme erreichte nicht mehr die Vorkriegsqualität. Das Musical „Das Lächeln einer Sommernacht“ war ihre letzte Bühnenarbeit. 1975 kollabierte sie auf der Tournee und erlitt einen Schlaganfall. Danach war sie an den Rollstuhl gefesselt und litt unter Sprachstörungen. Sie verstarb 1981.

 

 

„Staudinger, Sissy Staudinger – einfach nur mal um Verwechslungen vorzubeugen. Nein, ich bin nicht Zarah Leander!“ So begrüßte Sissy Staudinger ihr Publikum, das sie mit Applaus empfangen hatte. Sie hatte die kleine Bühne des Burgkellers ganz mondän mit Pelzmantel betreten und mit „Cabaret Paris“ eingestimmt. Nun bereitete sie die Zuschauer auf den Abend vor – sie würde die Film- und Bühnenrollen der Zarah Leander zu neuem Leben erwecken.

Gloria Vane im Film „Zu neuen Ufern“ im puritanischen London des 19. Jahrhundert stellte sie an den Anfang mit  Yes, Sir“. Richtig zur Geltung kam die wunderschöne Altstimme von Sissy Staudinger dann bei „Ich steh im Regen“. Die Reise in die Geschichte der Filme der Leander geht weiter und Sissy entführte uns zum Klang der Kastagnetten auf eine Insel – La Habanera. Die sehnsuchtsvolle Melodie „Der Wind hat mir ein Lied erzählt“ aus dem Film erklingt traurig und ruft nach einem vergangenen Glück.

 

Danach klärte uns Maddalena dall’Orto in „Heimat“ darüber auf, dass „Eine Frau wird erst schön durch die Liebe“ wird. Gebannt hing das Publikum an den Lippen von Sissy und hörte genau auf die Texte. Besonders beeindruckend war das bei „Drei Sterne sah ich scheinen“, als sie als alleinerziehende Mutter von ihrer Sehnsucht erzählt.

Im „Blaufuchs“ fragt sie dann „Kann denn Liebe Sünde sein?“ – Sissy beantwortete diese Frage gleich im Lied. „Nur nicht aus Liebe weinen“ aus „Es war eine rauschende Ballnacht“ entführt uns ins Moskau des 19. Jahrhunderts und wie fast alle russischen Lieder ist auch dieses Lied traurig. Der Film „Die große Liebe“ entstand 1942 und so erklärt sich auch, dass das Lied „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehn“ zur Durchhalteparole der Nazizeit stilisiert wurde.

Für die Leander der vorerst letzte Film in Deutschland – sie kehrt 1943 nach Schweden zurück. Auf die Leinwand kehrte sie 1950 zurück, auf die Theaterbühne aber erst wieder 1958 in Wien als Helene in „Madame Scandaleuse“ „Man muss für alles bezahlen“. Woran man eine Diva erkennt, beschreibt uns die Leander so: „Einer Diva werden die Kleider/Lieder auf den Leib geschneidert.“ Das war für sie in der Operette „Eine Frau, die weiß, was sie will“ so und das Lied „Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben?“ passte sich der Diva an. Sissy singt dieses Lied sehr überzeugend, mit Lachen in der Stimme und süffisantem Lächeln und fragt nach dem Warum?.

1964 bekommt die Leander dann noch einmal eine Rolle und ein Stück auf den Leib geschrieben: „Lady aus Paris“, das eigentlich „Lady Windermere’s Fächer“ hieß. Mit „König Heinrich der Achte“ reisen wir dann augenzwinkernd mit Mrs. Erlynne in die Vergangenheit zurück.

Den stetigen Untergang der Leander spiegelte dann auch die Rolle der Könige Aureliana aus dem Musical „Wodka für die Königin“ – Sissy zeigte uns, wie man ein Wasserglas Wodka (Wasser) in einem Zug leeren kann und singt „Wodka für die Königin“.

Die Reise durch die Rollen der Zarah Leander neigt sich unweigerlich zum Ende. In „das Lächeln einer Sommernacht“ erzählt uns Madame Arnfeldt von ihren „Liaisons“. „Wo sind die Clowns?“ fragen dann sowohl die Rolle Madame Arnfeldt als auch Zarah Leander, aber diese Frage bleibt unbeantwortet.....

 

 

1.       Cabaret Paris

2.       Yes, Sir

3.       Ich steh im Regen

4.       Instrumental – Sissy mit Kastagnetten

5.       Der Wind hat mir ein Lied erzählt

6.       Ein Frau wird erst schön durch die Liebe

7.       Drei Sterne sah ich scheinen

8.       Kann denn Liebe Sünde sein

9.       Nur nicht aus Liebe weinen

10.    Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehn

11.    Man muss für alles bezahlen

12.    Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben?

13.    König Heinrich der Achte

14.    Wodka für die Königin

15.    Liaisons

16.    Wo sind die Clows?

17.    Ich bin eine Frau mit Vergangenheit

 

 

 

Zu neuen Ufern

Zu neuen Ufern

La Habanera

La Habanera

Heimat

Heimat

Der Blaufuchs

Es war eine rauschende Ballnacht

Die große Liebe

Madame Scandaleuse

Eine Frau, die weiß, was sie will

Lady aus Paris

Wodka für die Königin

Das Lächeln einer Sommernacht

Das Lächeln einer Sommernacht

Lady aus Paris

 

Sissy Staudinger schlüpft in ihrem Soloprogramm in die Rollen von Zarah Leander und sie macht das so überzeugend, dass man am Ende nicht mehr weiß, ob das nun wieder Sissy ist, die sich da vor ihrem Publikum verneigt oder immer noch die Leander. Das Publikum in Bad Vilbel hat sie in eine andere Zeit entführt, nicht immer leicht, sich gerade an die Zeit des 2. Weltkrieges zu erinnern, aber nach 70 Jahren sollte so ein Rückblick erlaubt sein - nein, er muss sogar erlaubt sein, denn die Musik aus dieser Zeit fasziniert auch heute noch. Es mag keine Diven im Stil der Leander mehr geben, aber Sissy hat sie wieder auferstehen lassen für diesen Abend.

Die tiefe voluminöse Altstimme von Sissy Staudinger spiegelte alle Facetten der Gefühle wieder, die in den Rollen der Zarah Leander angesprochen wurden. Sehnsuchtsvoll, amüsiert, traurig, fragend, frech und erotisch sang Sissy die teilweise bekannten, teilweise aber auch (zumindest mir) unbekannten Lieder aus einer anderen Zeit – besser gesagt, sie entführte uns, denn das Publikum hing an ihren Lippen und folgte ihr wie magisch angezogen.

Am Klavier wurde Sissy begleitet von Martin Decker, der auch die verbindenden Texte geschrieben hatte. Er hielt sich zwar dezent im Hintergrund, unterstützte Sissy aber durch sein perfektes Spiel und überließ der „Diva“ den Platz im Scheinwerfer.

 

Gudrun Kauck Juli 2009

 

Weitere Termine für „Eine Frau mit Vergangenheit“ bei den Burgfestspielen Bad Vilbel:

31. Juli, 08. August und 21. August 2009

http://www.kultur-bad-vilbel.de/burgfestspiele/

Karten bereits fast ausverkauft !!

 

 

>>> Fotos „Eine Frau mit Vergangenheit“ in Bad Vilbel

 

>>>> Mehr über Sissy Staudinger auf meiner Website