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Ausflugtipps in unsere nähere Umgebung – Tag des offenen Denkmals 2008

 

Herrnhaag (bei Büdingen)

Gegründet 1738 von Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf, der mit seiner Herrnhuter Brüdergemeine

in der Grafschaft Ysenburg-Büdingen als Glaubensflüchtlinge eine Zuflucht fand

 

Zwei der noch erhaltenen Gebäude – das Schwesternhaus (links) und das Grafenhaus (rechts)

Im Vordergrund der Brunnen (früher im Zentrum) und die Reste des Brunnenhauses

 

Das Brunnenhaus ist inzwischen wieder aufgebaut.

 

Das Brunnenhaus mit dem Brunnen steht wieder an seinem alten Platz im Zentrum

 

Auf dem Haagberg unweit von Büdingen an einer alten Handelsstraße, der „Reffenstraße“, siedelten schon um 1250 Zisterzienserinnen. Wegen Wasserknappheit  erfolgte aber ca. 1264 ein Umzug ins Tal und die Gründung von Kloster Marienborn.

 

1722 gründete Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf  (1700–1760) in der Oberlausitz die „Herrnhuter Brüdergemeine“ (Moravian Church), eine christliche Glaubensbewegung innerhalb der protestantischen Kirche. 

 

1736 wurde Zinzendorf wegen religiöser Spannungen aus Sachsen verbannt. In der Ronneburg in der Grafschaft Ysenburg-Büdingen fanden er und seine Brüdergemeine eine neue Bleibe. Die Toleranz des Büdinger Grafenhauses  gegenüber religiösen Flüchtlingen hatten zuvor auch schon die Waldenser, die Hugenotten und „Inspirierte“ erfahren.

Da die Ronneburg aber bald zu eng für die vielen Anhänger von Zinzendorf wurde, zog man auf Einladung des Grafen Ernst Casimir von Ysenburg-Büdingen (1693-1749) nach Herrnhaag um.

Die Siedlung auf dem Herrnhaag wurde nach einem genauen Plan erbaut. Sie bestand im Wesentlichen aus großen Gemeinschaftsgebäuden, Gebäuden für ledige bzw. verwitwete Frauen, Gebäuden für ledige Männer, aber auch Familienhäuser gab es unter den 17 barocken Gebäuden, die bald von über 1000 Personen bewohnt wurden.

„Wohnzimmer der Gemeinde“ war das Grafenhaus. In der s.g. „Lichtenburg“, einem über zwei Stockwerke reichenden Kirchen- und Gemeindesaal fanden meist bei Dunkelheit die Versammlungen der Brüdergemeine statt.

 

Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf  (1700–1760)

 

Unter den Bewohnern des Herrnhaag gab es viele Musiker, Maler, Architekten und Kunsthandwerker, u.a. die Familie Roentgen, die als Kunstschreiner bekannt wurden.  Abraham Roentgen fertigte viele kunstvolle Möbel für die Grafen von Ysenburg-Büdingen - u.a. auch die reichverzierte Tür zum Prinzessinnenhaus in Wächtersbach           >>siehe hier

 

Versorgen konnte sich die Gemeinschaft selbst – es gab Bäckerei, Schlachthaus, Schlosserei, Schmiede, Zinngießerei, Ziegelei, Seifensiederei, Arzt und sehr schön angelegte Hausgärten. Was nicht selbst erzeugt wurde, wurde bei den Bauern der Umgebung eingetauscht oder gekauft. Viele Missionare zogen von Herrnhaag in alle Welt, um den Glauben weiterzutragen.

 

Nach dem Tod von Graf Ernst Casimir 1749 kam es zu Differenzen mit den Herrnhutern. Der Sohn und Nachfolger, Graf Gustav Friedrich, forderte die Aufgabe der bisherigen Privilegien und Kirchenrechte innerhalb von drei Jahren. Insgesamt bestand sehr viel Misstrauen auch auf Seiten der Bevölkerung, weil man den Lebensstil dieser Gemeinschaft nicht verstehen konnte.

Nach der Forderung des Grafen wurde die Siedlung noch im Jahr 1750 verlassen. Es entstanden neue Brüdergemeine-Siedlungen in Europa, die z.T. auch heute noch Bestand haben.

 

Herrnhaag diente danach noch eine Weile als Sommerschloss für die Büdinger  Fürstenfamilie, danach wurde es aber zum Steinbruch und viele der schönen Gebäude wurden abgetragen. Erhalten sind heute nur noch Teile des Brunnenhauses und vier Gebäude der ehemaligen Siedlung, die seit einigen Jahren von der „Sozietät Herrnhaag“, einer ökumenischen Lebensgemeinschaft der Herrnhuter Brüdergemeine, bewohnt werden.

Der „Verein der Freunde des Herrnhaag e.V.“ hat sich unter Mithilfe zahlreicher ehrenamtlicher Helfer die Renovierung der Gebäude zur Aufgabe gemacht. Das Schwesternhaus kann inzwischen wieder bewohnt werden, am Grafenhaus wird gearbeitet.

 

So sah die Siedlung auf dem Herrnhaag zu ihrer Blütezeit aus

 

Das inzwischen renovierte Schwesternhaus

 

Das Grafenhaus, auch „Lichtenburg“ genannt – an ihm wird derzeit noch renoviert

 

Die typische Anordnung der Bänke zum Gottesdienst der Herrnhuter Brüdergemeine

Es gibt keinen Altar, sondern nur einen Tisch, an dem der Prediger sitzt

 

Der große Saal der „Lichtenburg“ wird gerade renoviert

Der Name „Lichtenburg“ wurde von den Bewohnern der umliegenden Orte gegeben,

weil die Versammlungen der Herrnhuter meist abends und bei Licht stattfanden

 

Der so typische „Herrnhuter Stern“ ziert schon die Decke des Saales, der sich noch im Rohzustand befindet.

Durch die Missionsarbeit der Brüdergemeine findet man diese Art Stern,

dem Stern von Bethlehem nachempfunden, überall auf der Welt in christlichen Kirchen.

 

Die Kirche am Haag  (früher St. Peter-Kirche) liegt in Sichtweite von Herrnhaag.

An der Stelle der Kirche haben im 13. Jahrhundert Klosterfrauen gesiedelt,

die kurze Zeit später wegen Wassermangels nach Marienborn umgesiedelt sind.

 

Hinweis:

Diese Seite ist keine Werbung für die „Herrnhuter Brüdergemeine“ oder die „Sozietät Herrnhaag“. Geschichtlich betrachtet gehören die Siedlung Herrnhaag und diese Gebäude aber in unsere Region, weshalb ich sie auch auf meine Website aufgenommen habe. Da man allgemein nur sehr wenig über Herrnhaag und seine ehemaligen Bewohner erfahren hat, hab ich die Erläuterungen eingefügt.

 

Gudrun Kauck, September 2008

 

Anfahrt:

Über die Landesstraße  L 3193 – ca 3 km westlich von Büdingen

 

Besichtigung:  

von außen möglich

Die Bewohner ermöglichen nach Rücksprache auch einen Blick in das Grafenhaus

 

Literaturhinweis:

„Ronneburger Hügelland – Wanderungen durch Landschaft, Dorf und Geschichte“ von Ferdinand Graef

Herausgeber: Geschichts- und Heimatverein Ronneburg e.V., ISBN 978-3-937774-38-1

 

 

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